Meine ersten Schritte nach der Diagnose

Nach der Diagnose und dem ganzen Schock suchte ich also den Arzt auf, der mir von meinem damaligen Hausarzt empfohlen wurde. Die Odyssee ging somit erst richtig los, denn ich bin von Arzt zu Arzt verfrachtet worden, dann über die Diabetes-Beratung bis hin zum Ernährungsberater. Über verschiedene Stellen, hin und her gerissen. Überall erzählte man mir was ich alles zu tun hätte, was ich machen muss, was ich darf oder eben nicht darf. Ich wurde überflutet mit Informationen und Papierkram.  Der eine erzählte mir von Füssen absterben, die anderen von Organversagen, Herzinfarkt, Blindheit und was weiss ich nicht alles. Ich dachte, ich sei in einem schlechten Film. Hey, ich bin erst 26, das Leben schon vorbei? Da ich doch gerade Vater wurde, so dachte ich damals.

 

Schlussendlich landete ich bei einem Facharzt, einem sogenannten Diabetologen. Ganz ehrlich, zu dieser Zeit hatte ich mich noch überhaupt nicht mit dieser Krankheit angefreundet und auseinandergesetzt. Der Diabetologe erklärte mir nochmals alles ausführlich, klärte mich über verschiedene Therapiemassnahmen auf und ganz wichtig, wie ich das Insulin in mein Körper bekomme um den Blutzucker zu senken. Nämlich mit selber spritzen. Es war furchtbar alles. Ich hatte Angst, war unsicher und wusste überhaupt nicht was auf mich zu kam. Ich bekam ein sogenanntes Diabetikertagebuch, darin musste ich festhalten wann ich den Blutzucker gemessen habe und wie hoch der Wert ist. Den Blutzucker mehrmals täglich zu messen ist ein absolutes Muss für einen Diabetiker. Ergänzend musste ich 14 Tage lang jedes Essen akribisch aufschreiben (was ich esse und Gewichtsangaben) und zu welcher Zeit ich gegessen habe.

 

 

 

 

 

Danke Schweinchen. Du schenkst mir Leben.

Foto: RaLa

Es ging hier darum, dass der Arzt mich auf die Insulintherapie einstellen konnte , dass heisst im Detail, wie viel Insulin ich auf 10g KH (Kohlenhydrate) spritzen sollte. Ich musste also auch noch zusätzlich lernen, alles was ich esse im Kopf umzurechnen, so dass ich weiss, wie viel Insulin ich auf einen Teller Spaghetti (als Beispiel) spritzen sollte. Ich musste mir eine Waage zulegen um alles genau ab zu wägen. Denn genaue Angaben sind wichtig, damit sich der Blutzucker stabilisieren kann und ich einen stabilen Wert bekomme. Auch war es ein Lernprozess für mich, mir in etwa die Mengen zu merken, wenn ich mal auswärts essen gehe, was nicht wirklich einfach war.

 

Für den Anfang der Therapie kamen für mich 2 verschiedene Insuline in Frage. Das Semilente

(Längere Wirkungszeit bis 12 Stunden) und das Novo Rapid (schnellwirkende Insulin). Das Semilente diente als Basisinsulin und ich musste jeweils Morgens und Abends 18 Einheiten spritzen. Das Novo Rapid diente als schnellwirkendes (Bolus) Insulin und ist fürs abdecken der Kohlenhydrate direkt nach dem Essen. Auf 10g KH musste ich damals 1.8 Einheiten Insulin spritzen. Das damalige Insulin wurde aus den Schweinen gewonnen und ist somit unbedenklich für uns Menschen. Heute gibt es auch synthetische Insuline.  Für das Semilente gab es leider keine Ampullen für einen Pen, somit musste ich das Insulin mit einer Spritze selber aufziehen und injizieren, in der Regel in den Oberschenkel oder in den Bauch. Für das Novo Rapid gab es einen Pen, war etwas einfacher in der Handhabung, aber spritzen musste man trotzdem. Ebenfalls in den Bauch. So tastete ich mich langsam an das Ganze heran, musste ja auch. Denn ich wollte ja leben.

 

In Zukunft musste ich alle 3 Monate den Diabetologen aufsuchen, da wurde der Langzeitzucker (HbA1c) mittels Blutentnahme ermittelt und weiter besprochen wie man vorgeht und Anpassungen / Korrekturen macht. Ein wirklich langer und anstrengender Prozess für mich. Es braucht extrem viel Disziplin und ich muss zugeben, dass hatte ich nicht immer, vor allem in der Anfangszeit. Weiter kam dazu, dass es mir wirklich schlecht ging. Es hat mich alles sehr mitgenommen und aus der Bahn geworfen.

 

 

 

 

 

 

Schaue nach vorne und verliere nie dein Ziel aus den Augen.

Foto: RaLa 

Durch den Diabetes verlor ich nach der Diagnose enorm viel Gewicht, Mein *Ketonwert war schlecht und ich musste ständig auf das Klo wasserlösen. Diese zapfte meine letzten vorhandenen Fettreserven an und so verlor ich enorm viele Kilos. Ich meine ich bin knapp 1.80m gross und wog ein paar Monate zuvor ( Vor der Diagnose ) noch ca. 72 kg, nach der Diagnose etwa 3 Monate später nur noch 55 Kilo. Es war furchbar, meine Kleider habe ich quasi "verloren", so zog ich manchmal unter meinen Jeans dicke Trainerhosen an, nur damit die Hosen hielten. Mein Gesicht war eingefallen und ich war extrem dünn. Klar, ich war vorher schon schlank, aber so war es kein Zustand mehr. Ich verlor mein Selbstbewusstsein, fand mich sehr unattraktiv, zog mich zurück und haderte mit meinem Schicksal. Ständig fragten Leute was los sei mit mir, ob ich krank sei, ich solle doch mal mehr essen etc etc. Es zermürbte mich wirklich zu dieser Zeit. So empfand ich die ersten Monate nach meiner Diagnose.

 

Aber das Schlimmste an der ganzen Geschichte zu dieser Zeit war, dass ich niemanden hatte, einen Betroffenen mit dem ich mich austauschen konnte, der mir erklärte, dass es doch weitergeht und ich trotzdem gut leben kann, auch mit Diabetes und praktisch alles möglich ist. Jemanden der mir Mut machte, das gleiche Schicksal mit mir teilt, wo ich sehen konnte, dass es doch möglich ist wieder Lebensenergie zu bekommen. Das fehlte mir einfach und ich fühlte mich alleine gelassen. Nicht von meiner Familie, nicht falsch verstehen. Sie haben sich alle rührend um mich gekümmert, aber sie wussten halt eigentlich auch nichts von dieser Krankheit, somit was das betrifft, leider keine Hilfe. Und all die Ärzte, Therapeuten, Berater etc. redeten auf mich ein, obwohl niemand von diesen Personen betroffen war und keiner, wirklich keiner mich verstehen konnte, oder was ich fühlte. Mir fehlte jemand Gleichgesinntes.

 

Ralph Langenscheidt

* Ketonwert 

Ketone sind Stoffwechselprodukte, die beim Abbau von Fett anfallen. Im Normalfall greift der Körper jedoch nicht auf seine Fettreserven zurück, sondern deckt seinen Energiebedarf mit Hilfe des Blutzuckers. Diesen holen sich die Körperzellen, unterstützt vom Insulin, zur Energiegewinnung aus dem Blut. Bei einem Mangel an Insulin funktioniert diese Blutzucker-Aufnahme nicht ausreichend. Die Folge: der Körper muss seine Energie auf andere Weise gewinnen. Er baut deshalb seinen besten Energieträger, das Fett, ab. Hierbei entstehen Ketonkörper, die üblicherweise im Körper schnell weiter verarbeitet werden, so dass ihr Blutspiegel niedrig bleibt.

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